Ich habe neulich in einem Artikel von einem Paar gelesen, das seine Reise anders angehen wollte. Und vor dem Abflug zu Fuß zum Flughafen und nach der Ankunft vom Flughafen in die Innenstadt gelaufen ist. Sie wollten sich damit fernab der altbekannten Pfade bewegen. Und haben während ihres Weges ihre Heimatstadt mit neuen Augen gesehen.
Das geht mir auch oft so, wenn ich mal in einen anderen Bezirk gehe oder nach der Arbeit einen Schlenker fahre. Ich erlebe meine Stadt mit ganz anderen Augen und es stellt sich ziemlich schnell ein Urlaubsgefühl ein. Das liebe ich so am Reisen, ich tauche sehr schnell in eine andere Welt ein und nehme meine Umwelt ganz bewusst wahr.
Allerdings hat das Reisen auch etwas sehr Existenzielles, zumindest so lange, bis ich endlich meine Unterkunft gefunden habe. In privaten Urlauben suche ich mir die Unterkunft meist vor Ort. In meinem Lieblingsreiseland muss ich sie meist gar nicht suchen, sondern sie findet mich.
Auf Dienstreisen jedoch buche ich die Unterkunft immer im voraus und muss sie dann auch finden. Das Nicht-sofort-finden hat mich schon oft in die Verzweiflung getrieben. Es gibt auf der Welt einfach zu viele unausgeschilderte Straßenecken. Und Ansagen wie „300m nördlich“ empfinde ich als gar nicht hilfreich. Jedenfalls so lange mir niemand sagen kann, wo sich der Norden in dem Moment und ganz konkret befindet.
Was ich ja bei Dienstreisen schade finde ist, dass ich es kaum schaffe, etwas von der Umgebung zu sehen. Mal von den Umwegen abgesehen, die ich beim Versuch mein Hotel zu finden, gehe. Ich liebe die Dienstreisen dennoch. Eben weil ich das Eintauchen in diese anderen Welten mag.
Und selbst auf den Wegen vom Bahnhof zum Hotel und zum Tagungsort bekomme ich schon einiges mit. Die Leute sind anders gekleidet, die „U-Bahn“ entpuppt sich als „Tram“, es gibt regionale Spezialitäten und oft riecht die Luft auch ganz anders.
Faszinierend beim Reisen finde ich ja auch immer wieder, dass man wildfremden Menschen viele Stunden räumlich sehr nahe ist. Besonders schlimm ist dies bei Flugreisen. Obwohl ich bei Flugreisen ja sehr schätze, dass die Anzahl der Stunden, die man seinen Nachbar*innen so nahe sein muss, erheblich reduzieren kann. Aber dennoch ärgert es mich immer wieder kolossal, wenn ich den Mittelplatz erwischt habe und beide Nachbarn (es sind leider wirklich meist die Männer) beide Lehnen beanspruchen. Neulich hatte ich immerhin das Glück, dass mir meine Mitreisenden die Lehnen überlassen haben. Ein Nachbar, der der Stewardess ein großzügiges Trinkgeld gegeben hätte, wenn sie ihm Scheine statt Kleingeld zurückgegeben hätte, fragte mich, ob er in die Zeitungen, die ich dabei hatte, hineingucken könne. Er würde einen bestimmten Artikel suchen. Da ich die Zeitungen gerade kostenlos von der Fluggesellschaft angeboten bekommen hatte, erlaubte ich ihm den Zugriff natürlich gerne. Meine Zeitungsgier ist mir immer ein wenig peinlich, aber ich kann nicht anders.
Mein Nachbar suchte sehr intensiv und lautstark nach diesem Artikel. Nachdem er mit meinen Zeitungen fertig war, sahen sie eher nach einem Altpapierhaufen aus. Den er dann auch achtlos in die Tasche des Sitzes vor ihm stopfte.
Ich lese Zeitungen ja am liebsten vor oder auf dem Flug, so dass es durchaus sein konnte, dass ich die von mir noch ungelesenen Zeitungen niemals lesen würde. Andererseits fand ich es schon ziemlich empörend, dass er nun auch noch seinen Müll zwischen die Zeitungen stopfte, in die er ja nur hatte reingucken wollen. Kurz vor dem Abschluss der Landung bat ich ihn dann doch, mir meine Zeitungen wieder zu geben. Daraufhin guckte er irritiert und erklärte mir dann aber lächelnd, dass die aktuelle Ausgabe dieser Zeitungen ja nun bereits erschienen seien. Und dass ja nichts älter sei, als eine alte Zeitung. Das fand ich ja nun wirklich super bescheuert. Warum hatte er 20 Minuten zuvor noch so intensiv in uralten Zeitungen geblättert? Oder diente das wilde Umblättern lediglich dem Agressionsabbau?
Nun ja, das wiederum ist ja das Schöne am Reisen, man sieht solche Menschen meist nie wieder.
Nach dem Flug bin ich mit den Öffentlichen nach Hause gefahren. Immerhin auf einer anderen Busroute als sonst. Aber Laufen vom Flughafen nach Hause, dies kann ich mir nur bei einem Nahverkehrs-Streik vorstellen. Denn es gibt fast nichts, was ich mehr hasse beim Reisen, als langes Laufen mit meinem Reisegepäck.