Brautmoden

Ich gucke seit einigen Wochen mit wachsendem Interesse Brautkleidsuchen-Dokusops. Also Sendungen, in denen Bräute ihr Hochzeitskleid suchen und meist auch finden.

Zuerst war ich sehr fasziniert von der Mimik amerikanischer Frauen. Zu so starken Gesichtsbewegungen habe ich mich nicht einmal bei der Teilnahme an einem Clownsworkshop bewegen lassen.
Ich frage mich allerdings, ob die amerikanische Frau an sich, auch ohne Kamera zu solcher Ausdrucksstärke neigt. Ein laut ausgerufenes „Oh my Gosh“ und eine ordentliche Gesichtsentgleisung – das ist aber vielleicht auch genau das, was eine amerikanische Braut in einem 10.000 Euro teuren Kleid von ihrer Begleitung erwarten darf.

In diesen Sendungen äußerten fast alle Frauen den Wunsch nun wenigstens einmal, eine Prinzessin sein zu wollen. Neulich habe ich eine Hochzeit-Doku gesehen, in der eine erwachsene Frau die Dominanz von rosa und die Unmengen an Hello Kitty Accessoires in ihrer Wohnung damit erklärte, dass sie nun einmal gerne Prinzessin sei…  Ich habe natürlich schon drüber nachgedacht, wie es wäre als Prinzessin zu leben. Mich beschäftigt dabei ja sehr die Frage der Ernährung. Wenn ich abends um 22 Uhr Lust auf Schokoküsse habe, kann ich ja nicht mehr zum Supermarkt an der Ecke gehen. Schicke ich dann den Butler? Oder gibt es Schokoküsse in der Vorratskammer? Und wie erfahre ich beispielsweise von der Schokokuss-Sonderedition „Erdbeere“? Im Supermarkt kann ich die ja nicht entdecken. Stöbert eine Prinzession in Onlineshops? Nun gut, das sind ungeklärte Fagen. Jedoch Leute zu haben, die mich täglich in der Auswahl meiner Kleidung beraten, das fände ich ja schon super.
Aber unbedingt mal ein Prinzessinnenkleid tragen zu wollen, nein, das steht nicht auf meiner Wunschliste. Vielleicht mal ein Dirndl, aber das ist eine andere Geschichte.

Was mich jedoch richtig irritiert hat, ist die Frage, warum so viele dieser Frauen so ein hohes Budget für ihr Kleid angesetzt haben. Kaum eine Frau lag unter 5.000 Euro. 5.000 Euro für etwas, was frau nur einen Tag lang tragen kann… In einer Sendung war Papa bereit 23.000 Dollar für das Kleid springen zu lassen. Mama war schockiert. Ihr Kleid hätte nur 150 Dollar gekostet und mit dem Geld solle man doch lieber ein Haus anzahlen.
Genauso sehe ich das auch! 23.000 Dollar für ein Kleid, mit dem ich überall hängen bleibe und vermutlich Assistenz beim Toilettengang benötige…ist mir unbegreiflich. Für die meisten Frauen scheint es erstrebenswert einmal im Mittelpunkt zu stehen. Das geht auch billiger…

Nun gut. Durch Zufall entdeckte ich, dass Braukleid-Dokus auch in Deutschland produziert werden. Ein Unterschied wie Tag und Nacht: Das Budget der Bräute geht in diesen Sendungen in der Regel bis maximal 1.500 Euro. Sehr vernünftig! Und es war auch nicht allen Frauen wichtig, einmal Prinzessin sein zu wollen. Sehr beruhigend.
Dass die Begleiter*innen der Braut bei der Kleidvorführung oftmals keine Miene verzogen und nicht mal ein kleiner Aufschrei – also das fand ich ja schon fast enttäuschend.

Aber in dieser Doku-Soap ging es auch eher um die Brautmodenverkäufer*innen und weniger um die Bräute. Während in der amerikanischen Serie immer im gleichen Geschäft gedreht wurde, gibt die deutsche Serie einen Einblick in die Verkaufswelt diverser Brautmodengeschäfte in der Republik. Besonders faszinierend fand ich hierbei die Regeln, die da jede*r für sich aufgestellt hat:
Mal müssen die Braut und ihre Begleiter*innen weiße Handschuhe tragen und dürfen Haken an die Kleider hängen, die ihnen gefallen. Anderswo sind es Wäscheklammern, die auch ohne Handschuhe befestigt werden dürfen. Einmal waren es Pappherzchen, die direkt am Bügel befestigt werden mussten. Finde ich recht umständlich.
In einigen Geschäften dürfen die Bräute keine Kleider anfassen, sondern müssen die Auswahl ganz dem Fachpersonal überlassen. In zwei Läden mussten alle die Schuhe ausziehen. Will man das?

Einig schienen sich fast alle Verkäufer*innen darin zu sein, dass eine Braut maximal 5 Kleider anprobieren darf und dann ihr Kleid gefunden haben muss. irgendwie schien das auch bei allen Bräuten zu klappen. Kann ich mir bei mir absolut nicht vorstellen. Ich rechne mit dem Besuch von mindestens acht Geschäften und der Anprobe von 40-50 Kleidern.
Gab dann aber auch ein paar Sendungen, in denen „schwierige“ Bräute gezeigt wurden, die eine so große  Entscheidungsunfreude wie ich an den Tag zu legen scheinen. Allerdings fanden die in den 5-Kleid-Läden dann naürlich immer „ihr Kleid“.
Das gehört allerdings in allen Geschäften, egal ob in Deutschland oder den USA dazu. Die Braut muss immer die Frage beantworten, ob das nun „ihr Kleid“ sei bzw. ob sie „Ja“ zu ihrem Kleid sagen würde. Und am liebsten vorher ein paar Tränen vergossen haben.

Ich habe nicht die Absicht mir ein Brautkleid zu kaufen, aber ich würde einige der gezeigten Verkaufstalente gerne mal an so einem schwierigen Fall wie mir ausprobieren.

Allerdings gibt es auch ganz schlimme Verkäufer*innen. Ein wenig Küchenpsychologie mag ich ja schon ganz gerne, aber manch eine geäußerte These über die Braut fand ich haarsträubend. Ich weiß auch nicht, ob ich mit dem Humor des einen Auskenners wirklich klar käme.

Richtig schockiert war ich jedoch vom schwäbischen Verkäufer, der der Braut Kleider zur Anprobe gab, die deutlich über ihrem Budget lagen. In der amerikanischen Serie galt die goldene Regel: „Wenn die Braut sich in ein Kleid verliebt, das über ihrem Budget liegt, bricht es ihr das Herz“.
Das war dem Schwaben offensichtlich egal. Er hat eine Erfolgsquote von 85%. Und tatsächlich legten Mutter und Freundinnen zusammen, um die deutliche Überschreitung des Budgets auszugleichen. Und dies für ein Kleid, das er herausgesucht hatte, um die bis dato „versteckte Seite“ der Braut herauszustellen. Der Erfolg gab ihm recht.

Mich würde ja interessieren, wie meine Begleiterinnen auf den speziellen Charme des Verkäufers reagieren würden. Aber ob ich mir dafür von ihm bei der Kleideranprobe helfen lassen würde…?

Die Begleiter*innen der Bräute waren in allen Sendungen ein wichtiges Thema. Eigentlich soll die Baut ja ihr Herz sprechen lassen. Aber oft waren es die anderen, die gesprochen haben. Nicht immer leicht für die Verkäufer*innen. Aber einer der Punkte, die mich beim Gucken faszinieren.

Als ich heute entdeckt habe, dass sich gegenüber von meinem Schwimmbad ein großes Brautmodengeschäft befindet, war mein erster Impuls hinzugehen, und es mir genauer anzuschauen.
Der zweite Gedanke: Ich sollte mir ein neues Hobby suchen…